An einem Strang ziehen
Dagmar Poetzsch ist schon seit vielen Jahren Gewerkschafterin mit Leib und Seele. Doch die Frage nach der Gleichstellung der Geschlechter wurde, wie sie im Gespräch sagt, erst nach der Wiedervereinigung ein Thema für sie.
Denn zu DDR-Zeiten war für die ausgebildete Erzieherin selbst alles möglich: Vollzeit arbeiten gehen, vier Kinder großziehen und sich gewerkschaftlich engagieren. „Da haben die Rahmenbedingungen einfach gestimmt“, sagt die heute 65-jährige, die sich als Vorsitzende des DGB-Bezirksfrauenausschusses Berlin-Brandenburg ehrenamtlich engagiert.
Turbulente Nachwendejahre – Wir haben eine ganz unterschiedliche Sprache gesprochen
In den turbulenten Nachwendejahren hat Poetzsch in Berlin alles hautnah erlebt. Zuerst, dass die ehemals berufstätigen DDR-Frauen massenhaft ihre Arbeitsplätze verloren. Daneben, dass die Frauen in den Ost- und Westgewerkschaften, die zusammenwachsen sollten, eine ganz unterschiedliche Sprache sprachen und dann auch noch, „dass sie Vieles nicht gewusst hatte“, was in ihrem Land und auch ihrer Gewerkschaft passiert war.
Da gab es einigen Aufarbeitungsbedarf und Poetzsch, die sich als optimistischen Menschen bezeichnet, sagt, dass sie sich damals fragte, „wie wir gemeinsam weitermachen können.“ Dies tut sie heute noch und arbeitet nun Hand in Hand mit der hauptamtlichen DGB-„Frauensekretärin“ Nina Lepsius zusammen.
Gemeinsam weitermachen und: Frauen- und Gleichstellungspolitik als Querschnitts- aufgabe
Lepsius hat in Düsseldorf Politikwissenschaft studiert und am dortigen sozialwissenschaftlichen Institut und in der Kommunalpolitik gearbeitet. Die 41-Jährige verantwortet seit März 2015 den Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim DGB Berlin-Brandenburg, dem die Gleichstellungspolitik zugeordnet ist.
Frauen- und Gleichstellungsstellungspolitik ist beim DGB eine Querschnittsaufgabe, sagen beide Frauen unisono, und dass es oft gar nicht so leicht sei, dieses Thema immer angemessen zu platzieren und die nötige Akzeptanz der anderen Bereiche dafür zu bekommen.
Als Gewerkschaftsvertreterinnen haben sie natürlich immer ihren Fokus auf die Arbeitswelt gerichtet. Und sie wollen gute Arbeitsbedingungen für ALLE. Doch das Thema, dass prekäre Arbeitsbedingungen besonders Frauen betreffen, treibt nicht nur sie beide um.
Poetzsch und Lepsius verweisen auf die Reformbestrebungen des DGB, Minijobs, die nach wie vor zum Großteil von Frauen ausgeübt werden, grundlegend zu reformieren: Diese sollten ab dem ersten Euro Einkommen voll in die Sozialversicherung einbezogen werden. Die unangemessene Förderung dieser Beschäftigungsform sollte eingestellt und schließlich müssen arbeitsrechtliche Ansprüche für diese Arbeitnehmer*innen tatsächlich umgesetzt werden. Faltblatt-Raus-aus-der-Armutsfalle DGB-Reformkonzept-Minijob
Vernetzung im Frauenpolitischen Rat ist hilfreich für die eigene Arbeit
In den Bezirksfrauenausschuss, dessen Vorsitzende Dagmar Poetzsch ist, entsenden die Einzelgewerkschaften ihre Vertreterinnen. Poetzsch hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Frauengruppen aus den Einzelgewerkschaften gut zu betreuen und kontinuierlich mit den nötigen Informationen zu versorgen. Denn es sei längst nicht mehr so, dass Frauen mit ihren Mehrfachbelastungen sich überall engagieren können.
Beide Gewerkschaftsfunktionärinnen schätzen, dass sie im Frauenpolitischen Rat in den Erfahrungsaustausch mit ganz unterschiedlichen Frauenorganisationen treten und über vielfältige Interessen hinweg gemeinsame Anliegen definieren können. „Diese Netzwerke, die wir dort erleben“, sagt Poetzsch, „sind auch für unsere Arbeit und unsere Kolleginnen nutzbringend.“
Text: Astrid Priebs-Tröger
Fotos: Anne Heinlein
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wurde 1949 gegründet und ist seit 1998 Mitglied im Frauenpolitischen Rat. Petra Meyer war ab 2006 vier Wahlperioden im Sprecherinnenrat des FPR engagiert; sie trug das Thema „Green Economy Gender gerecht“ in Zusammenarbeit mit life e.V. in den Frauenpolitischen Rat.