Antifeminismus in Brandenburg – Gegenstrategien und Empowernment von Frauen und Mädchen

 

Inhalt

 


Hintergrund

Antifeminismus ist eine zentrale Komponente des Rechtspopulismus. Er verbreitet sich aktuell ebenso wie vielfaltsfeindliche und extrem rechte Bewegungen, erfährt jedoch nicht die gleiche öffentliche Aufmerksamkeit. Antifeminist:innen lehnen den Feminismus als kollektive Bewegung sowie konkrete Frauen- und Gleichstellungsarbeit ab. Stattdessen fordern sie, gleichstellungspolitische Errungenschaften zurückzunehmen und laufende Aktivitäten einzustellen. Antifeminismus fungiert als Scharnier zwischen konservativen und extrem rechten Milieus und trägt dazu bei, rechtsextreme Einstellungen zu normalisieren. Damit schwächt er den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gefährdet die Demokratie. Gleichberechtigung gehört zu unserer demokratischen Gesellschaft; sie ist nicht verhandelbar.

Die Zielgruppen der Arbeit des Frauenpolitischen Rats Land Brandenburg e. V., Mädchen und Frauen, sind in besonderem Maße von den Auswirkungen des erstarkenden Antifeminismus betroffen. In Brandenburg wird Antifeminismus strategisch im Wahlkampf eingesetzt – zur Gewinnung von Wähler:innen, aber auch zur gezielten Schwächung von kandidierenden Frauen. Für die Kommunal- und Landtagswahl 2024 wollten wir daher einerseits Wähler:innen für die Auswirkungen von antifeministischen Einstellungen und Politiken sensibilisieren und andererseits politische und zivilgesellschaftliche Akteur:innen im Engagement für ein tolerantes Brandenburg online und offline stärken.

 

 


Vorhaben

Es gibt in Brandenburg lokal verankerte, zivilgesellschaftliche Initiativen und Einzelpersonen, die zum Thema Antifeminismus arbeiten. Mit diesen wurde eine Vernetzung angestrebt. In Zusammenarbeit mit den lokalen zivilgesellschaftlichen Akteur:innen gegen Antifeminismus und Rechtsextremismus wurden dann gezielt zivilgesellschaftlich und politisch aktive Frauen für Antifeminismus sensibilisiert und im Umgang damit gestärkt. Ebenso wurden Mädchen*projekte gezielt durch einen Empowerment-Ansatz zu dem Thema begleitet. Dies geschah durch eine Workshop-Offensive im Vorfeld und im Nachgang der Landtagswahlen 2024. Parallel wurden die bereits vorhandenen umfangreichen Handreichungen und Materialien zum Umgang mit Antifeminismus gebündelt auf einer digitalen Plattform zusammengestellt sowie bei Bedarf nachgedruckt und somit gezielt für Brandenburger:innen zugänglich gemacht. Durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit wurde außerdem stärker für das Thema sensibilisiert.

 

 


Workshops

Im Rahmen des Projektes fanden sechs Workshops statt:

 

Solidarität der frauenpolitischen Verbände als Antwort auf Antifeminismus
27.04.2024, 13:30 – 15:15 Uhr (hybrid, Brandenburg Museum Potsdam und online)

Die Referentin Bianca Strzeja veranschaulichte mit ihrem Input „Intersektionaler Feminismus – gelebte Solidarität in der Gleichstellungsarbeit“ die Komplexität von Mehrfachdiskriminierung und warum dies ein zentrales Wissen zum Verständnis von Antifeminismus ist.

Danach wurden Diskussionen in Kleingruppen geführt zu folgenden Fragestellungen:

  • Wie können wir v.a. in diesem Wahljahr gemeinsam gezielter Interessen vertreten und uns u.a. bei antifeministischen Vorfällen unterstützen?
  • Wie können wir Solidarität und Zusammenhalt auch über das Wahljahr hinaus stärken, auch mit Blick auf ggf. weiter erstarkenden Antifeminismus?
  • Wie können wir insgesamt den Zusammenhalt und das Zugehörigkeitsgefühl im FPR stärken?

Die Mitgliedsverbände und Gäste der Veranstaltung konnten somit die strategischen Ansätze von Antifeminismus beispielhaft nachvollziehen und in der anschließenden Diskussion wurde die Notwendigkeit von einem Verständnis für intersektionalen Feminismus in unserer Verbandsarbeit geschärft.

 

Antifeminismus in der Mädchen*arbeit: Sensibilisierung und Analyse
05.07.2024, 9:00 Uhr bis 14:00 Uhr (online)

Um die Zielgruppe der Akteur:innen der Mädchen*arbeit abzudecken, fand am 05.07. ein Online-Vernetzungstreffen statt, auf dem zwei zentrale Fragen diskutiert wurden:

  • Was entgegnen wir dem aktuell spürbaren Rechtsruck in Brandenburg und bundesweit?
  • Wie stärken wir uns sowie Mädchen und junge Frauen gegen den Antifeminismus?

Hierzu hielt Jana Haskamp (Dissens e.V.) einen Keynote Vortrag, die externe Moderation übernahm Olivia Kossobucki.

Mit dieser Veranstaltung konnten wir uns untereinander gegen den Rechtsruck solidarisieren und Strategien sammeln, um die Zukunft der Gleichstellungspolitik, Mädchen*arbeit und -politik mitzubestimmen.

Die Veranstaltung findet statt in Kooperation mit der “AG Zukunft” der Bundesarbeitsgemeinschaft Mädchen*politik, in der Akteur:innen der geschlechtersensiblen Jugendpolitik und Mädchen*arbeit bundesweit vernetzt sind.

 

„Diversitätssensible Veranstaltungsplanung als Teil der vielfalts- und diskriminierungssensiblen Verbandsarbeit“

Teil 1: 19.10.2024 hybrid (im Treffpunkt Freizeit Potsdam und online) als öffentlicher Teil unserer Mitgliederversammlung;

Teil 2: 04.11.2024 online

Unsere Gesellschaft ist divers: Sprachliche Vielfalt, Regenbogenfamilien, Geschlechter, religiöse Weltanschauungen und viele weitere Merkmale prägen unser Gemeinwesen.
Eigene Veranstaltungen – im Haus oder öffentlich – im Hinblick auf diese Diversität sensibel zu gestalten, so dass sich ein möglichst breites Spektrum von Menschen angesprochen fühlt, ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern essentiell für die Existenzsicherung der eigenen Organisation.
In zwei aufeinander aufbauenden Workshops forderten wir zuerst die Teilnehmenden auf, ihre Privilegien zu analysieren und brachten nachfolgend Kriterien gesellschaftlicher Diversität mit wichtigen Merkmalen von professioneller Veranstaltungsplanung zusammen. Die Einführung in ein Praxistool zeigte erste Handlungsansätze auf für Eure zukünftige Veranstaltungsplanung.
Wir buchten hierfür jeweils die Referentinnen Frieda Wirtz und Sonja Basjmeleh (Doppelpunkt – Diversität und Perspektiven).

Die Essenz beider Teile war, dass wir uns vielfalts- und diskriminierungssensibler in unserer Verbandsarbeit bewegen wollen und auch können, sobald wir uns unserer eigenen Privilegien und Gewohnheiten bewusster werden. Somit baut sich auch ein größeres Verständnis für das Phänomen Antifeminismus auf, da wir bspw. sensibler gegenüber mehrfachdiskriminierten Personen im Öffentlichen Leben werden und lernen, eine klare Haltung zu beziehen.

 

12.11.2024: „Demokratie braucht Feminismus! Antifeminismus online entgegentreten“

Dieser Online-Workshop wurde für Menschen angeboten, die oft im Internet mit Antifeminismus konfrontiert werden. Hier fand nach einer kurzen Einführung zu Antifeminismus ein Austausch statt zu den Fragen:

  • Wo begegnen euch antifeministische Aussagen und Positionen im online Kontext?
  • Wie lauten die Aussagen ungefähr?
  • Welche Beispiele und Herausforderungen fallen Euch ein?

Neben dem Erfahrungsaustausch wurden auch Methode zum Umgang mit antifeministischen Anfeindungen erlernt. In der Gruppe konnten ebenso Leitlinien für den Umgang mit Antifeminimus und Hate Speech definiert werden.

 

04.12.2024: „Was sage ich? Agrumentationstraining gegen Antfeminismus im direkten Gespräch“, online

Auch mit den Referent*innen von Gegenargument hielten wir den letzten Workshop im Dezember 2024 ab, der auf ein Argumentationstraining im direkten Gespräch abzielte. Ähnlich wie im Workshop zuvor wurden hier verschiedene konfrontative Situationen durchgespielt und Möglichkeiten, wie darauf zu reagieren sein könnte – in Abhängigkeit der persönlichen Rolle oder dem Grad der Vulnerabilität der eigenen Person oder des persönlichen Umfelds.

 

Wir sind stetig bemüht, im Rahmen anderer Projekte weitere Angebote zum Thema Antifeminismus begegnen für alle Interessierten zu schaffen.

In der Zwischenzeit empfehlen wir z.B. die Workshops von Gegenargument:

 

Das Projekt „Antifeminismus in Brandenburg – Gegenstrategien und Empowerment von Frauen und Mädchen“ wurde gefördert aus Mitteln des „Toleranten Brandenburg“.

 


Informationssammlung

 

Aktuelle Broschüren und Studien

Praxistipps: Was tun bei antifeministischen Vorfällen?

Argumentationshilfen gegen Antifeminismus

Webseiten

Buch- und Podcast-Tipps

Buchtipps zum Thema Antifeminismus:

  • AK Fe.in 2020: Frauen*rechte und Frauen*hass. Antifeminismus und die Ethnisierung von Gewalt. Verbrecher Verlag.
  • Blum, Rebekka 2019: Angst um die Vormachtstellung. Zum Begriff und zur Geschichte des deutschen Antifeminismus. Marta Press, Hamburg.
  • Hark, Sabine; Villa, Paula-Irene (Hrsg.) 2015: Anti-Genderismus. Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen. Transkript Verlag.
  • Henninger, Annette; Birsl, Ursula 2020: Anti-Feminismen. „Krisen“Diskurse mit gesellschaftsspaltendem Potential? Transkript Verlag.
  • Lang, Juliane (Hrsg.) 2018: Antifeminismus in Bewegung. Aktuelle Debatten um Geschlecht und sexuelle Vielfalt. Marta Press.

Buchtipps zu fundamental-christlichen Abtreibungsgegner:innen:

  • Baars, Christian; Lambrecht, Oda 2009: Mission Gottesreich. Fundamentalistische Christen in Deutschland. Ch. Links Verlag
  • Brockschmidt, Annika 2021: Amerikas Gotteskrieger. Wie die religiöse Rechte die Demokratie fürchtet. Rowohlt.
  • Sanders, Eike; Achtelik, Kirsten; Jentsch, Ulli 2018: Kulturkampf und Gewissen. Medizinethische Strategien der „Lebensschutz“bewegung, Verbrecher Verlag.
  • Sanders, Eike; Jentsch, Ulli, Hansen, Felix 2014: Deutschland treibt sich ab. Organisierter „Lebensschutz“. Christlicher Fundamentalismus. Antifeminismus. Unrast Verlag
  • Teidelbaum, Lucius 2018: Die christliche Rechte in Deutschland. Strukturen. Feindbilder. Allianzen. Unrast Verlag.

Buchtipps zum Thema Männerrechtsbewegung und Incels:

  • Ginsburg, Tobias 2021: Die letzten Männer des Westens. Antifeministen, rechte Männerbünde und die Krieger des Patriarchats. rowohlt.
  • Kaiser, Susanne 2020: Politische Männlichkeit. Wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobilmachen. Suhrkamp.
  • Kemper, Andreas (Hrsg.) 2012: Die Maskulisten. Organisierter Antifeminismus im deutschsprachigen Raum. Unrast Verlag.
  • Kemper, Andreas 2011: (R)echte Kerle. Zur Kumpanei der MännerRECHTSbewegung. Unrast Verlag
  • Kracher, Veronika 2020: Incels. Geschichte, Sprache und Ideologie eines Online-Kults. Ventil.

Buchtipps zum Thema (Anti-) Feminismus von rechts:

  • Farris, Sara 2017: In the name of women’s rights. The rise of femonationalism. Duke University Press.
  • Goetz, Anja 2016: Feminismus von rechts? Eine unbehagliche Frage, in: femina politica 25: 2, 129-137.
  • Haas, Julia 2020: „Anständige Mädchen“ und „selbstbewusste Rebellinnen“. Aktuelle Selbstbilder identitärer Frauen. Marta Press.

 

Podcast-Tips zum Thema Antifeminismus:

 

 


Relevanz

Während Rechtspopulismus, rechte und vielfaltsfeindliche Bewegungen und menschenfeindliche Ideologien häufiger im Fokus der Öffentlichkeit und zivilgesellschaftlicher (Bündnis-)Arbeit stehen, erfährt Antifeminismus nicht die gleiche gesellschaftliche und öffentliche Aufmerksamkeit.

Wir sind der Auffassung, dass, wenn von Demokratie, Toleranz und Anti-Gewalt-Strategien die Rede ist, auch die Betroffenheit ebenso wie die Bedeutung von Frauen mit bedacht werden muss. Ohne Frauen ist kein Staat zu machen, Toleranz gehört zu den unverzichtbaren Umgangsformen zwischen den Geschlechtern – und die Debatte über Gewalt ist ohne Berücksichtigung der häuslichen Gewalt nur unvollständig. Wir wollen diese Lücke schließen und das bürgerliche Engagement mit aktuellen Diskursen zur Bekämpfung des Antifeminismus stärken.

Zu dem Bekenntnis gegen Antirassismus und Antisemitismus gehört deshalb ganz selbstverständlich auch das Bekenntnis gegen Antifeminismus.

Wir hoffen durch eine stärkere Sensibilisierung zum Themenfeld Antifeminismus spürbar zur Sicherung und Konsolidierung von Toleranz in Brandenburg beitragen zu können.

 

 

Das Projekt „Antifeminismus in Brandenburg“ wird im Rahmen des Handlungskonzeptes „Tolerantes Brandenburg“ gefördet.