Gedanken zur geschlechtergerechten Sprache: Wo sind wir? Stehen geblieben?

Posted by on Mrz 11, 2019 in Allgemein

Am 30. Januar reichte die AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg den Antrag „Pflege der deutschen Sprache – Abschaffung der sogenannten gendergerechten Sprache im amtlichen Gebrauch“ ein.

Darin heißt es u.a.: „Die sogenannte „gendergerechte Sprache“ soll ab sofort wieder durch grammatikalisch richtige und sinnvolle Sprachformen ersetzt werden. So soll z.B. anstatt der pedantischen und grammatikalisch falschen Anrede im Plural „Bürgerinnen und Bürger“ künftig wieder die grammatikalisch richtige und angemessene Form „Bürger“ gebraucht werden. Dies entspricht dem generischen Maskulinum, wonach in der männlichen Wortform bereits die weibliche Wortform beinhaltet ist.

„Die Sprachgewohnheiten und Formeln unseres Behördenalltags gehen vielfach auf ein Zeitalter zurück, als Frauen in den Amtsstuben eine seltene Spezies darstellten. Das Reich der ”Schreiber”, ”Sekretäre” und dann gar der höheren Ränge der ”Referenten” und der ”Räte” war ein Reich, das Männern vorbehalten war – galten sie doch als die rationale, sachverständige und entsprechend gebildete und ausgebildete Hälfte der Menschheit, während man der anderen Hälfte vor allem Emotionalität, Handfertigkeit und höchstens noch Schöngeistig- und Kunstsinnigkeit zusprach. Mit den Schreibmaschinen und dem Telefon zogen dann die ”Tipp-Mamsell” und das ”Fräulein vom Amt” in das Büroleben ein, aber noch lange dauerte es, bis beispielsweise Volksschullehrerinnen vom ”Zölibatsgebot” befreit wurden, d.h. auch verheiratete Frauen Zugang zum Lehrberuf erhielten. Vieles ist davon heute Geschichte“, so Prof. Luise Pusch.

Jahrzehnte kämpfen Frauen darum, nicht nur mitgemeint, sondern explizit erwähnt zu werden. Nur mühsam haben sich neue Sprachgewohnheiten durchgesetzt – etwa bei Begrüßungen nicht nur die ”Kollegen” anzusprechen, sondern auch selbstverständlich die ”Kolleginnen”. Im Schriftverkehr wird dies noch deutlicher. Fragen wir uns doch ehrlich – bei welcher Gelegenheit verwenden wir denn tatsächlich den Begriff Rentnerin, Doktorin, Lehrerin oder Amtsrätin.

Es sollte inzwischen eine Selbstverständlichkeit sein, dass Frauen sich nicht als sprachlich ausgeblendete Gruppe von Menschen fühlen müssen, auch wenn sie vielleicht gar nicht gewöhnt sind, dieses Thema anzusprechen oder es auch nicht wagen.

 

„Wenn eine Frau von einem Schiff ins Wasser gespült wird, heißt es „Mann über Bord“, verletzt sie sich am Arbeitsplatz, wird das von der Arbeiter-Unfall-versicherung“ gedeckt. Wenn aber an einer Tür steht: „Nur Männer“ weiß sie, dass diese Ermahnung nicht Tieren, Pflanzen oder leblosen Objekten, sondern ihr, der Frau, gilt.

– Alma Graham –

 

Sprache ist nicht nur Kommunikationsmittel, sondern spiegelt unsere gesellschaftlichen Gegebenheiten wider. Sie repräsentiert unsere Weltanschauung und trägt zur Bildung der sozialen und psychischen Identität bei. So werden gewisse Sachverhalte durch die Sprache untermauert, vorherrschende Bilder und Normen bestätigt, Minderheiten oder unerwünschte Positionen dagegen marginalisiert oder abgewertet. Da die Menschheit aus Frauen und Männern besteht, ist es mehr als gerecht, auch in der sprachlichen Formulierung beide Geschlechter gleichermaßen zu berücksichtigen.

Sicher bedarf es, um eine neue, gerechte Sprache zu schaffen, neuer Handlungs- und Vorgehensweisen und vor allem auch Zeit. Und die Zeit wird es zeigen in welcher Art und Weise sich eine gleichberechtigte Sprache, ob nun geschlechtsneutral, in Form des tief gesetzten Bindestrichs, das Gendersternchen oder das große „I“ durchsetzen wird. Die Anwendung des
numerischen Maskulinum, wonach in der männlichen Wortform bereits die weibliche Wortform beinhaltet ist jedenfalls nicht der richtige Weg, sondern eine Reise in die Vergangenheit und eine Diskriminierung von Frauen.

 

Text: Marion Urban.

Marion Urban ist landespolitische Sprecherin der BVB / Freie Wähler und Mitglied der Borkwalder Notgemeinschaft. Sie ist außerdem stellvertretende Bürgermeisterin von Borkwalde, Amtsausschussmitglied und war viele Jahre Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis Spree-Neiße.