Nicht immer nur reagieren müssen …

Posted by on Dez 16, 2015 in Allgemein

Sie brauchen einen langen Atem, um gleichstellungspolitische Anliegen in der Verwaltung, der Stadt und ihrer Region umzusetzen. Seit zweiundzwanzig bzw. achtzehn Jahren sind Heidrun Szczepanski und Regina Bellack kommunale Gleichstellungsbeauftragte. Die studierte Philosophin und Sozialpädagogin Szczepanski arbeitet in Oranienburg, das 43.000 Einwohner*innen hat.

Sie ist in Teilzeit hauptamtlich tätig und kümmert sich ausschließlich um den Bereich Gleichstellung. In Guben, das knapp 18.000 Einwohner*innen zählt, ist das ganz anders. Regina Bellack muss(te) zeitweise gleich vier Aufgabenbereiche verantworten: Begonnen hat sie mit Gleichstellungspolitik, dazu kamen die Behindertenpolitik, die Integrationspolitik, das Lokale Bündnis für Familie und die Betreuung der Ortsteile.

Und momentan ist sie fast rund um die Uhr mit Integrationspolitik befasst, denn die Grenzstadt an der Neiße hat bereits mehr als 600 Geflüchtete aufgenommen. Doch Regina Bellack. klagt nicht, sondern arbeitet engagiert und zielstrebig auch in diesem Bereich – und das seit April 2014.

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Bisher konnte sie alles gut miteinander vereinbaren, sagt die freundlich-resolute Frau und für den Bereich Gleichstellung hätte sie sich die Hälfte ihrer Arbeitszeit reserviert, zumindest auf dem Papier. Aber in der derzeitigen Situation sei das natürlich längst Makulatur. Doch sie ist zuversichtlich, dass sie auch für ihre Kernaufgabe wieder Zeit hat.

Und, so sagt sie, ihr ginge es ja noch vergleichsweise gut, denn Städte wie Finsterwalde müssen mit fünf bezahlten Stunden Gleichstellungsarbeit pro Woche auskommen und in Forst, das mehr Einwohner*innen als Guben hat, stünden dafür keine hauptamtlichen Kräfte zur Verfügung.

Die Situation der Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sei dramatischer, als sie sich das im Vorfeld vorgestellt habe, sagte Monika von der Lippe in ihrem 100-Tage-Interview. Auch sie konstatierte, dass deren geringe Anzahl und die zu große Vielzahl von Aufgaben, die diese neben dem Thema Gleichstellung noch zu bewältigen haben, ihre Wirksamkeit vor Ort verhindern.

Doch die Frauen vor Ort sind ausdauernde Kämpferinnen. Regina Bellack sagt, dass sie froh über jeden Schritt in die richtige Richtung sei. Zu ihren Erfolgen zählt sie, dass Guben immer noch ein Frauenhaus betreibt und sich mit mehreren Veranstaltungen an der jährlichen Brandenburgischen Frauenwoche beteiligt. Ein Mädchenprojekt und zwei Frauenvereine gingen in ihrer Amtszeit jedoch den Bach herunter.

Heidrun Szczepanski konnte in zwei Jahrzehnten wichtige Impulse setzen. Sie hat beispiels- weise einen gendergerechten Sprachleitfaden für die Verwaltung erarbeitet, der die Mitarbeiter*innen befähigt Briefe, Satzungen u. a. gendergerecht zu formulieren.

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Gender-Budgeting – also eine geschlechtergerechte Haushaltsplanung – ist in Oranienburg wie auch sonst im Land kein Thema. Doch im Bereich „Workplace-Policy“ – einem Konzept zum Engagement gegen Häusliche Gewalt am Arbeitsplatz – hat die Stadt eine Selbstverpflichtung unterzeichnet.

Darauf ist sie stolz, doch sie hat auch noch eine größere Vision: Heidrun Szczepanski wünscht sich, das durch eine grundsätzliche Veränderung von materiellen Rahmenbedingungen, Frauen und Männer in die Lage versetzt werden, tatsächlich frei entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten wollen.

Und Regina Bellack hofft, endlich wieder konzeptionell arbeiten zu können und nicht immer nur auf aktuelle Erfordernisse reagieren zu müssen. Damit ist ein Rahmen abgesteckt, den die Gleichstellungspolitik des Landes beachten sollte. Das Ziel der Landesgleichstellungs- beauftragten, Gesetzesänderungen im Bereich der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten bis Ende des kommenden Jahres anzustoßen, ist ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung.

Text: Astrid Priebs-Tröger
Fotos: Simone Ahrend, sah-photo